Fragen sind wohl eines der effektivsten Werkzeuge, die einem jeden Verkäufer zur Verfügung stehen. Eine sorgsam gewählte Frage kann das Gegenüber öffnen, aus der Reserve locken, ihm oder ihr neue Perspektiven aufzeigen oder sogar dafür sorgen, dass das Gegenüber etwas Neues über sich selbst lernt. Gleichzeitig können unpräzise oder schlechte Fragen leicht für Verwirrung sorgen, den Gesprächspartner verschließen und damit ein ganzes Verkaufsgespräch torpedieren.
Es lohnt sich also, einen genaueren Blick auf das eigene Sortiment an Fragen zu werfen und zu überlegen, welche davon tatsächlich in der Regel eine positive Wirkung zeigen und welche in der Vergangenheit eher dafür gesorgt haben, dass ein Verkaufsgespräch ins Leere lief.
Starke vs. schwache Fragen
Eine recht simple Unterteilung von Vertriebsfragen ist die in starke und schwache Fragestellungen. Schwache Fragen sind solche, die unklar oder ziellos formuliert sind, von oben herab kommen oder sogar (direkt oder indirekt) die Kompetenz des Gegenübers anzweifeln.
Typische Beispiele für Schwache Fragen sind:
- „Warum haben Sie aktuell kein Interesse?“
- „Weshalb sind Sie dieses Problem nicht schon früher angegangen?“
- „Sie wissen aber schon, dass XY, oder?“
- „Glauben Sie nicht, dass Sie es bereuen werden, wenn Sie XY nicht tun?“
Starke Fragen auf der anderen Seite sind präzise und verfolgen ein klares Ziel. Sie laden häufig zum Nachdenken ein, setzen einen neuen Rahmen für das Gespräch oder sorgen dafür, dass das Gegenüber etwas Neues dazulernt.
Beispiele für Starke Fragen sind:
- „Mal angenommen, Geld spielte keine Rolle, würden Sie dann Dienstleistung XY in Erwägung ziehen?“
- „Auf einer Skala von 1-10, wie zufrieden sind Sie aktuell mit XY?“
- „Wenn Sie sich einen idealen Dienstleister im Bereich XY vorstellen, was muss der leisten können?“
- „Welches Bild haben Sie vor Augen, wenn Sie an XY denken?“
Wenn wir diese Fragen schwarz auf weiß vor uns sehen, ist uns meistens sofort klar, bei welchen dieser Fragen es sich offensichtlich um eine schwache bzw. starke Frage handelt. Dennoch werden in der Praxis jeden Tag von vielen Verkäufern immer wieder schwache Fragen verwendet. Wie kann das sein?
Zunächst einmal kann es vorkommen, dass wir uns bestimmte Fragestellungen unbewusst über die Jahre angewöhnt haben ohne diese je zu hinterfragen. In diesem Fall gilt es, die eigenen Fragemuster einmal genau zu beobachten und nach und nach die schwachen Fragen aus dem eigenen Sprachgebrauch zu eliminieren. Weitere Auslöser für schwache Fragen können Einwände des Kunden sein, auf die wir nicht vorbereitet sind oder die persönliche emotionale Tagesform.
Doch auch in diesen Fällen können Sie schwache Fragen verhindern, indem Sie sich bewusst bestimmte starke Fragen aneignen und so in Ihrem Sprachgebrauch verankern, dass diese ganz automatisch in einem Verkaufsgespräch über Ihre Lippen kommen. Einige besonders wirkungsvolle Fragetechniken im Verkauf sind die sogenannten systemischen Fragen. Drei davon wollen wir Ihnen im Folgenden genauer vorstellen.
1. Die hypothetische Frage
Die wohl bekannteste systemische Fragestellung ist die hypothetische Frage. Eine hypothetische Frage öffnet das Gegenüber für einen neuen Blickwinkel, zeigt neue Perspektiven auf und wirkt dadurch geradezu Wunder in der Einwandbehandlung. Besonders wenn Ihr Kunde eine sehr festgefahrene Meinung hat oder Sie das Gefühl haben, sich in einem Gespräch zu verrennen, bietet die Hypothetische Frage eine elegante Möglichkeit, das Gespräch zurück in konstruktive Bahnen zu lenken.
Beispiele für Hypothetische Fragen sind:
- „Mal angenommen, Sie hätten ein das entsprechende Budget zur Verfügung, um Ihr aktuelles Problem zu lösen. Würden Sie dann einen externen Dienstleister wie uns in Erwägung ziehen?“
- „Gesetzt den Fall, Ihre Mitarbeiter wären jeden Tag top motiviert bei der Arbeit, wie würde sich das auf Ihr Geschäft auswirken?“
- „Stellen wir mal für zwei Minuten die Welt auf den Kopf - angenommen Sie hätten alle Zeit der Welt, welche Herausforderung würden Sie dann als erstes angehen?“
- „Mal angenommen, wir kriegen das alles so hin wie besprochen, würde sich dann eine Zusammenarbeit für Sie lohnen?“
Zur Anwendung: Wie bereits erwähnt eignen sich hypothetische Fragen ausgezeichnet in der Einwandbehandlung. Aber auch zum Ende eines Verkaufsgesprächs kann diese Fragetechnik eingesetzt werden, um einen Abschluss einzuleiten.
2. Die skalierende Frage
Die zweite Fragetechnik ist die sogenannte skalierende Frage. Sie ist ein hervorragendes Werkzeug, um einen latenten Bedarf eines Kunden ans Tageslicht zu bringen und damit für beide Seiten sichtbar zu machen. Häufig lernt der Kunde dadurch etwas Neues über sich selbst, was ihm oder ihr vorher in dieser Form gar nicht bewusst war. Gleichzeitig bekommt der Verkäufer einen klaren Eindruck davon, wie sehr seinem Kunden ein bestimmtes Problem tatsächlich unter den Fingern brennt.
Beispiele für Skalierende Fragen:
- „Auf einer Skala von 1-10, wie zufrieden sind Sie mit Ihren aktuellen Umsatzzahlen?“
- „Wenn Sie die aktuelle Stimmung in Ihrem Team als eine Zahl zwischen 0 und 10 ausdrücken müssten, wobei 0 für eine total schlechte Stimmung steht und 10 absolute Bombenstimmung repräsentiert. Welche Zahl würden Sie vergeben?“
- „Nur damit ich mir einen genauen Eindruck machen kann… Auf einer Skala von 1-10, wie wichtig ist es Ihnen, Problem XY zu lösen?“
Zur Anwendung: Eine skalierende Frage bietet sich häufig dann an, wenn Sie bereits einen groben Überblick über die Herausforderungen des Kunden haben und nun herausfinden wollen, wie groß der Veränderungswunsch beim Kunden tatsächlich ist. Auch kann die Frage dann sinnvoll sein, wenn Sie das Gefühl haben, dass der Kunde seinen eigenen Bedarf selbst noch gar nicht richtig erkannt hat.
Zu guter Letzt eignet sich die skalierende Frage in Verbindung mit einer hypothetischen Frage ausgezeichnet, um einen Abschluss einzuleiten. Antwortet Ihr Gegenüber beispielsweise auf eine skalierende Frage mit einer 4, wäre eine mögliche Antwort von Ihnen:
„Ich verstehe Sie. Mal angenommen, wir schaffen es gemeinsam durch Dienstleistung XY diese 4 innerhalb der nächsten Wochen auf eine 8 oder 9 zu bringen, würde sich dann eine Zusammenarbeit zwischen uns für Sie lohnen?“
3. Die zirkuläre Frage
Die zirkuläre Frage wie auch die hypothetische Frage sind ein mächtiges Werkzeug, um das Gegenüber zur Einnahme eines neuen Blickwinkels einzuladen. Anders als andere Fragetechniken richtet sich die zirkuläre Frage allerdings nicht direkt an den Gesprächspartner und kann daher auch dazu genutzt werden, um verborgene Vorbehalte oder Einwände zum Vorschein zu bringen und zu entkräften. Sie nimmt also eine spezielle Person oder eine Gruppe an Personen in das gedankliche Visier der Fragestellung.
Beispiele für Zirkuläre Fragen:
- „Wie würde Kollege XY dieses Thema bewerten?“
- „Welche Vorbehalte könnten Ihre Mitarbeiter gegenüber XY haben?“
- „Was würde Ihr Chef über Thema XY denken?“
Zur Anwendung: Eine zirkuläre Frage ist immer dann angebracht, wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Gegenüber noch nicht zu 100% ehrlich mit Ihnen ist, oder Sie versteckte Einwände vermuten. Aber auch sonst kann die zirkuläre ein effektives Mittel sein, um gleich von Anfang an mögliche Einwände ans Licht zu holen und zu entkräften, bevor diese im weiteren Verkaufsprozess zu Schwierigkeiten führen können.
Alle diese Fragetechniken sind übrigens dann am wirkungsvollsten, wenn sie in einem echten Verkaufsgespräch ganz automatisch kommen und Sie nicht lange darüber nachdenken müssen. Am besten notieren Sie sich zu jedem Fragetyp ein paar Beispiele, die auf Sie und Ihre Kunden passen und üben diese so oft „trocken“, bis Sie sich mit den Fragen vollständig wohl fühlen.