Unsere Gehirne müssen tagtäglich tausende von Entscheidungen treffen. Welches Hemd ziehe ich heute an? Was esse ich zum Frühstück? Nehme ich das Fahrrad oder das Auto zur Arbeit?
Da ist es kaum verwunderlich (und sehr erfreulich), dass sich unser Gehirn ein paar Tricks ausgedacht hat, mit dem es einen Großteil dieser Entscheidungen relativ schnell und unkompliziert treffen kann, ohne dabei zu viele Fehlentscheidungen in Kauf nehmen zu müssen. Diese „Abkürzungen“ in unserem Gehirn machen uns aber nicht nur das Leben um ein Vielfaches leichter – sie können uns sogar im Verkauf helfen!
Warum (psychologisch fundierte) Verkaufstricks auch heute noch funktionieren
Man könnte annehmen, dass die Verkaufstricks, die schon vor 50 Jahren dazu verwendet wurden, um Röhrenfernseher an den Mann und die Frau zu bringen, mittlerweile keine Wirkung mehr auf uns haben dürften. Immerhin müssten unsere Gehirne doch langsam dahinter gekommen sein, dass es immer wieder die gleichen Tricks sind und als logische Konsequenz dürften wir uns davon nicht mehr so leicht beeinflussen lassen. Doch erstaunlicherweise ist genau das Gegenteil der Fall: Einige der verkaufspsychologischen Tricks funktionieren heutzutage besser denn je!
Der Grund dafür ist relativ simpel: Die meisten Verkaufstricks basieren auf tief verwurzelten Mechanismen in unserem Gehirn, die wir gar nicht bewusst steuern können. Es ist also nicht so einfach, die Tricks aus der Werbung bewusst zu ignorieren. Auch hat sich das menschliche Gehirn in seiner Grundstruktur in den letzten paar Jahrhunderten kaum merklich verändert, sodass die Verkaufspsychologie auch in weiteren hundert Jahren nicht an Wirkung verlieren wird.
Im Gegenteil lassen sich viele dieser Tricks durch das Internet heute noch viel effektiver und gezielter einsetzen als es damals über herkömmliche Vertriebskanäle möglich war, sodass ihre Wirkung in den letzten Jahren eher zugenommen hat.
Nicht nur Verkäufer sollten diese 6 Tricks kennen
An dieser Stelle haben wir Ihnen die 6 wirkungsvollsten Verkaufstricks zusammengetragen, die jeder Verkäufer kennen sollte. Viele davon gehen auf die Forschungsergebnisse des Psychologen Robert Cialdini zurück, der bei der Entwicklung und Verbreitung der Verkaufspsychologie in den letzten Jahrzehnten eine prominente Rolle gespielt hat.
1. Sozialer Beweis: „Was andere gut finden, muss auch gut sein.“
Stellen Sie sich vor, sie sind im Urlaub in einer neuen Stadt und Sie möchten dort abends etwas Essen gehen. Sie kommen an zwei Restaurants vorbei. Das eine ist bis auf wenige Tische rappelvoll, wohingegen bei dem anderen kaum ein Gast zu sehen ist. Für welches Restaurant entscheiden Sie sich intuitiv?
Die meisten werden jetzt wohl sagen, das Restaurant mit den vielen Gästen. Wir gehen nämlich davon aus, dass es dort wohl in irgendeiner Weise besser sein muss, wenn sich so viele andere Menschen ebenfalls für dieses Lokal entschieden haben.
Dieser Effekt lässt sich auch auf den Vertrieb übertragen. Besonders mächtig wird der Soziale Beweis durch Plattformen wie Google oder Amazon, wo ein potentieller Kunde mit einem Klick die Meinungen und Bewertungen von tausenden von Kunden vor ihm ansehen kann. Aber auch mit Testimonials, ausführlichen Rezensionen oder Kundenreferenzen auf Unternehmensseiten kann der Effekt des Sozialen Beweises hervorragend genutzt werden.
2. Reziprozität (Gegenseitigkeit): „Wie du mir, so ich dir.“
Wir Menschen haben ein intrinsisches Bedürfnis in uns, in sozialen Kontexten eine gewisse Ausgeglichenheit herzustellen. Wenn uns beispielsweise ein Freund etwas zum Geburtstag schenkt, werden wir auf gar keinen Fall den nächsten Geburtstag dieses Freundes vergessen – und natürlich werden wir ihm oder ihr etwas schenken.
Das Prinzip der Gegenseitigkeit ist so tief in uns verankert, dass es auch im Marketing und im Vertrieb tausendfach eingesetzt wird. Ob in Form von kleinen Goodies (man denke an die Unmengen von Kugelschreibern, die überall herumfliegen), kostenlosen Beratungen oder Strategiegesprächen – überall werden Werbegeschenke verteilt. Natürlich machen diese Unternehmen das nicht ausschließlich aus gutem Willen, sondern eben, weil der Effekt der Reziprozität so wahnsinnig gut funktioniert. Wer etwas geschenkt bekommt, möchte etwas zurückgeben. So einfach ist es.
3. Autorität: „Der kennt sich aus, dem vertraue ich.“
Betrachten wir wieder unser fiktives Sz3. enario: Nach dem entspannten Abendessen (in dem wirklich ganz vorzüglichen Restaurant) möchten sie ein Taxi nach Hause nehmen. An der Straße warten zwei mögliche Kandidaten. Der eine Taxifahrer lehnt in Jogginghose und Kapuzenpullover an seinem Wagen und bohrt sich gerade in der Nase, während er auf sein Handy starrt. Gleich hinter ihm sitzt ein zweiter Taxifahrer im Anzug in seinem Fahrzeug und wartet in aufrechter Haltung geduldig auf seinen nächsten Kunden. Welches Taxi nehmen Sie?
Vermutlich das hintere. Das hängt damit zusammen, dass wir lieber bei Menschen kaufen, die auf uns einen kompetenten und selbstbewussten Eindruck machen. Obwohl wir noch gar nicht wissen können, wer von den beiden Fahrern am Ende wirklich besser fährt, fühlen wir uns bei dem Mann im Anzug sicherer aufgehoben. Was für den Taxifahrer gilt, lässt sich 1 zu 1 auch auf andere Bereiche des Vertriebs übertragen. Unser Äußeres hat eine erhebliche Wirkung auf die vom Kunden wahrgenommene Kompetenz, die wir ausstrahlen.
Selbstverständlich muss der Verkäufer hinter dieser Fassade dann auch abliefern können. Aber häufig ist der erste Eindruck entscheidend, um beim Kunden überhaupt erst einen Fuß in der Tür zu haben.
4. Knappheit: „Jetzt oder nie!“
Menschen verpassen nur sehr ungern eine Gelegenheit. Die unterschwellige Angst dahinter ist, dass sich uns die Gelegenheit, sobald einmal verstrichen, nie wieder bietet. Aus diesem Grund ist der Effekt der Knappheit auch deutlich weniger stark, wenn bestimmte Dinge immer knapp sind. Dauerpreisaktionen oder zeitlich limitierte Angebot, die dann doch nicht so limitiert sind, sind also keine gute Idee.
Richtig eingesetzt kann das Prinzip der Knappheit aber dafür sorgen, dass Sie Kunden schneller zum Abschluss bekommen, die auf andere Weise noch lange hin und her überlegt hätten. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass sich der Kunde nach dem Kauf meist in bester Stimmung befindet, da er oder sie das Gefühl hat, eine unschlagbare Gelegenheit genutzt zu haben (was im Fall von tatsächlich limitierten Angeboten ja auch stimmt).
5. Sympathie: „Na schön, weil du es bist…“
Das Prinzip der Sympathie kommt besonders im B2B-Vertrieb zum Tragen. Menschen kaufen lieber bei Menschen ein, die ihnen sympathisch sind – vor allem wenn es um sehr zeit- und kostenintensive Produkte geht. Deshalb ist aus Verkäufersicht der Beziehungsaufbau zum Kunden essentiell!
Sympathie kann auch bewusst gefördert werden. Zum Beispiel durch ein attraktives Äußeres oder eine bewusst ähnliche Ausdrucksweise. Aufpassen sollte man in diesem Zusammenhang besonders bei Komplimenten. Komplimente können ehrlich gemeint und in einem anderen Kontext hilfreich sein, aber im Verkauf können sie schnell nach hinten losgehen.
Unser Tipp: Lassen Sie Komplimente im Verkaufsprozess lieber bleiben!
6. Konsistenz: „Wer A sagt, muss auch B sagen.“
Am Telefon versuchen Verkäufer so schnell es geht, ein erstes „Ja“ aus ihren potentiellen Kunden herauszukitzeln. Das hat den einfachen Grund, dass Menschen in ihren Handlungen und Denkmustern gerne Konsistent sind. Wer einmal „Ja“ gesagt hat, wird es wahrscheinlich auch wieder tun. Dieser Trick ist besonders in der Kaltakquise von enormer Bedeutung, lässt sich aber auch auf andere Bereiche des Vertriebs übertragen.
Die moralische Frage der „Psychotricks“
Was erstmal eine gute Nachricht für alle Verkäufer ist, wirft gleichzeitig einige moralische Fragen auf, wenn es um das Wohlergehen der Kunden geht. Die zentrale Frage dabei: Sollte man als Verkäufer von „Psychotricks“ gebrauch machen oder manipuliert man damit seine Kunden zu einer Entscheidung, die sie später vielleicht bereuen? Bei dieser Frage geht es nicht nur um reinen Altruismus, sondern vielmehr um unser aller Interesse, denn auch wir Verkäufer stehen in unserem privaten Alltag vermutlich öfter auf der Käuferseite als umgekehrt.
Unserer Ansicht nach liegt die Antwort hier eigentlich schon in der Formulierung der Frage. Auch wenn wir als Verkäufer die natürlichen Gegebenheiten selbstverständlich für unsere Ziele einsetzen, müssen wir am Ende des Tages immer einen echten Wert beim Kunden schaffen. Nur wenn wir das erreichen, wird der Kunde langfristig zufrieden mit seiner Entscheidung sein und weiterhin bei uns einkaufen. Umgekehrt wird ein unzufriedener Kunde mit hoher Wahrscheinlichkeit seinen Kauf rückgängig machen wollen oder eine schlechte Bewertung hinterlassen, was wiederum andere potentielle Kunden zukünftig vom Kauf abhält.
Zusammengefasst spricht also nichts dagegen, Verkaufstricks anzuwenden, solange das Produkt eben auch tatsächlich die Bedürfnisse des Kunden erfüllt.